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Afghanen   Ergebnisse

2003

Statement von  J.H. Eberhardt, Richter der erwachsenen Klassen Hüninnen in Dortmund, Weltsieger 2003

WHA 2003

Afghanen Hündinnen, erwachsene Klassen

Herr Fabig hatte mich gebeten, ihm einige Zeilen mit meinen Eindrücken zu den vorgestellten Hündinnen zu schreiben. Dem bin ich gerne nachgekommen.

Es war eine Ehre für mich, hierfür zum Richten eingeladen zu sein. Jeder weiß, daß ich von kurz- und rauhhaarigen Rassen herkomme. Und noch, obwohl von mir bekannt ist, dass ich bei keiner Rasse Bürsten oder Kämme im Ring dulde - einer meiner Spleens.

Ich bin einerseits der Meinung, dass unbelastete Besucher im gegenteiligen Falle den Eindruck haben könnten, es handle sich um einen Frisierwettbewerb (und wir Hundeleute sind ohnehin schon verrückt genug), andererseits ist in meinen Augen Haarkleid etwas, das vornehmlich funktionale Bedeutung hat, weil es den Hund dort, woher er kommt, bei seiner Arbeit schützt. Und ganz am Ende nur, Tradition in unserer Wahrnehmung, eine äußere Bedingung für einen typischen Rassevertreter, Ausdruck von Eleganz und Stil.

Dennoch sind Hunde für mich in erster Linie gezähmte Natur. So habe ich jeweils immer nur fünf Hunde im Ring gelassen, weil ich bei diesen Temperaturen Hunden und Besitzern möglichst lange Ruhe gönnen und den Hunden ersparen wollte, mit mehr oder weniger Einfühlsamkeit des Vorführers in der gespannten Ausstellungspositur verharren zu müssen. Und auf die gerade nicht an der Reihe befindlichen Hunde habe ich genau deswegen auch selten geschaut.

Ich habe ein leises Murren vernommen, dass auch in der Championklasse großzügig ‚SG‘ vergeben wurde. In der FCI-Formwertdefinition steht wörtlich bei der Beschreibung von ‚SG‘: „Dieses Prädikat kann nur einem Klassehund verliehen werden.“ - dies scheint einigen Hundebesitzern außer Sicht geraten zu sein.

Es ist Aufgabe der Zuchtrichter, die gesamte Qualität des Kuchens zu beurteilen, der ihnen zur Probe vorgesetzt wird, und dann entscheidet eben nicht die Garnitur, die Sahnehäubchen, die verwegene Verzierung, die rosa Lichter auf dem Kuchen. Garnitur ist eben nur ein Prozent des Kuchens.

So habe ich pflichtgemäß und meinen Berufsgewohnheiten folgend unter die Fassade geschaut. Und habe, wie immer, Begeisterndes erlebt. Und daneben Solides, und Mittelmäßiges. Und gestaunt, was alles bis in die Championklasse vorgedrungen ist.

Zuchtrichter sind Einteiler, Zuordner, Entscheider und keine Huldigungsredner, nur wenige von ihnen sind zum Hofdichter berufen. Glücklicherweise, ebenso wie es nicht viele gibt, die auch gegenüber dem Freund Tapferkeit beweisen. Und es wäre gemein gegenüber den wirklich vorzüglichen Hunden, wenn man solche Hunde, die ganz klar auch in den Augen der Zuschauer eine Klasse schlechter sind, ebenso mit ‚Vorzüglich‘ klassifizierte.

Ich habe mich gefreut, dass ich doch viele Hündinnen fand, die verhaltens- und selbstsicher sind, jeder vorzügliche Hund war eine große Freude für mich. Aber ich mochte auch die Hündinnen, die aus guten Gründen kein V bekamen, auch sie hatten alle Vorteile, aber eben auch Schwächen, die in den Richterberichten beschrieben sind.

Es siegte, wie so häufig bei Allgemeinrichtern, eine funktional hervorragend gebaute Hündin, mit der so häufig vermißten vorzüglich gewinkelten, richtig angeordneten  Vorderhand, einem bestens bemuskelten Bereich des Buggelenks, richtig modelliertem Rippenkorb von bester Tiefe, fester, müheloser, höchst effizienter Bewegung mit sicherem Vortritt, sicherem Verhalten. Ach ja, und die Haare waren auch dran.

Dahinter viele solide und eindrucksvolle Hündinnen, die nur das Pech hatten, dass die Hündin, die Weltsiegerin wurde, an jenem Tag gemeldet war und antrat. Aber auch viele gut behaarte Rassevertreter, bei denen man beim Nachforschen den in der Gangwerksprobe aufkeimenden Verdacht bestätigt fand, dass die Vorderhand insgesamt so weit vorn angeordnet ist, dass eine unterstützende Führung durch die Seiten des Rippenkorbs einfach nicht mehr möglich ist. Die Fassade scheint dies manchmal erfolgreich zu kaschieren aber dann offenbart sich die Konstruktion, wenn diese Hunde auf einen zu laufen. Wie die auf einen zu laufen ? Wie viele Setter; komisch, dass dort auch die Haare manches kaschieren. Man hat mir in der Schule und im Beruf beigebracht, dass der Raum durch drei Dimensionen definiert wird. Das habe ich so lange geglaubt, bis ich vor vielen Jahren bei einer großen Anzahl von Settern eine Richteranwartschaft ableistete. Wenn ein Setter auf einen zu läuft und man betrachtet die Bewegung der Vorderhand, glaubt man fest, es gebe mindestens fünf Dimensionen !

Warum soll es den Afghanenzüchtern denn besser gehen ? In allen Rassen ist das Züchten von Hunden mit bester Vorderhand ein seltene Kunst, damit ein Privileg und für die Züchter eine Gnade, wenn sie es denn geschafft haben. Und es wäre Anlaß und Grund genug für tiefen Respekt der Züchterkollegen, wenn solche Züchter solche Hunde nachhaltig aus den verschiedensten Paarungen vorstellen. Aber es können eben wenige, weil es noch weniger sehen.

Sicher, wie jeder Richter habe auch ich beim Richten Fehler gemacht; mein Trost ist, dass Sie es sportlich akzeptiert haben. Dafür habe ich Ihnen zu danken. Mein Dank geht auch an meine Ringschreiberin, die so flott und klaglos schrieb und ohne Gemütsregung, obwohl sie sicher manchen der Hunde kannte. Und an Herrn von Lehn als Ringleiter, der mich in Betrieb gehalten hat, so dass wir an jenem heißen Tag rechtzeitig fertig waren. Wie beide versichert haben, haben sie sich nicht gelangweilt.

Und last not least geht mein größter Dank an die Afghanen-Hündinnen der erwachsenen Klassen, die mir einen Vormittag beschert haben, an den ich noch lange mit Freude zurückdenken werde. Sie werden mir verzeihen - aber ich mag eben Hunde.

 

Jochen H. Eberhardt

 

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