Die Geschichte der beiden Typen
des Afghanischen Windhundes
Gesammelt aus mehreren Quellen und hier zusammen gestellt von Diana
Lüdemann.
Inhalt:
In drei zeitlichen Epochenschritten stelle ich die Überlieferungen
über die beiden Typen jeweils gegenüber.
1. Die ersten Zeugnisse
von den beiden Typen des Afghanischen Windhundes
2a. Die Importe nach England: Bell-Murray und Mrs. Amps
("Ghazni")
2b. Der Typenvergleich in der Literatur: Steppenafghane
- Bergafghane
3a. Die Zuchtbasis zwischen den 1920ern und 1940er Jahren
3b. Die Vereinigung von Steppen- und Bergafghanen im
Standard
4. Literatur
1. Die ersten Zeugnisse
von langhaarigen Windhunden in Afghanistan
|
Eine (afghanische) Legende besagt, dass Moses den Afghanen als Vertreter
der Hunde für seine Arche gewählt haben soll.
In einem alten Papyrusdocument aus dem Jahre 4000 vor Christus sah
jemand aufgrund eines Übersetzungfehler des Wortes "cynocephalus"
als "affengesichtigem Hund" (= Afghane) einen Hinweis auf das Alter der
Rasse, was wohl richtiger "hundegesichtiger Affe" (= ) heißt
und den Gelada-Affe oder Pavian meint, damals heilige Tiere, von denen
sogar Mumien gefunden wurden.
In ägyptischen Gewölben von 3000 vor Christus gibt es windhundähnliche
Abbildungen.
Um mich aber nicht in romatischen Mythen zu verstricken oder die müssige
Streit, welches die älteste Windhunderasse sei, zu strapazieren, beschränke
ich mich auf gesicherte Überlieferungen, die für meine Fragestellung
nach den beiden Afghanentypen von Bedeutung sind. Diese beginnen um 1000
nach Christus.
Bei Nachforschungen über den Afghanen stieß 1956 ein afghanischer
General im historischen Archiv auf folgende Notiz:
Übersetzung: |
aus: C.Miller "Complete Afghan Hound", Seite 26f |
"Der Tazi ...
Laut der afghanischen Geschichtsschreibung wurde der Tazi erstmals
in der Zeit des Sultans Mahmud Ghaznawe* beliebt und wohlbekannt. Mahmud
bewunderte den Tazi und führte stets eine Meute von ihnen mit seiner
Armee mit. Sie wurden als Kuriere, Wächter und Jäger eingesetzt.
Er betrachtete sie als Symbole für das Glück und den Sieg. Anschließend
an einen seiner indischen Feldzüge benannte er einen Ort im östlichen
Afghanistan nach dieser Rasse. Dieses Gebiet ist bis heute als Tazi bekannt." |
"The Tazi Dog ...
According to Afghan history, the Tazi dog first became popular and
well known in the time of Sultan Mahmud Ghaznawe*. Mahmud admired the Tazi
and always carried a pack of them with his army, using them as couriers,
guards and hunters. He considered them to be symbols of luck and victory.
Following one of his Indian camapigns, he named a location in eastern Afghanistan**
for the breed and this area is still known today as Tazi." |
*Mahmud war als ein besonders fähiger und tatkräftiger Herrscher
bekannt. Er setzte seinen jüngeren Bruder Ismail ab und bestieg im
Jahre 988 den Thron. Er marschierte bis zu seinem Tode 1030 nicht weniger
als 12 Male in Indien ein. Neben seinen Feldzügen war er ein anerkannter
Förderer der Gelehrsamkeit.
*zwischen Ghazni und Kandahar |
*Mahmud is known as a particularly able and energetic ruler. He deposed
his younger brother, Ismail, and ascended the throne in 988. He inavded
India no less than twelve times before his death in 1030. In addition to
his military campaigns, he was known as a patron of learning.
**between Ghazni and Kandahar |
Dieser General fügte hinzu:
In Afghanistan gibt es zwei Typen des Tazis*: den langhaarigen (betrachtet
als der reinere und wertvollste) und den kurzhaarigen. Der langhaarige
Tazi lebt in den nördlichen und den nordwestlichen Teilen Afghanistans.
Der kurzhaarige Tazi lebt vor allem in den östlichen, südlichen
und westlichen Landesteilen. |
"There are two types of Tazi* hounds in Afghanistan: the long haired
(called the most pure und the most valued) and the short-haired. The long-haired
Tazi lives in the north and northwestern parts of Afghanistan. The short-haired
Tazi lives principally in the eastern, southern and western parts of the
country". |
*Der Begriff "Tazi" hebt die Windhunde von allen anderen Hunderassen
ab. Als Fleischbeschaffer und Ernährer besassen die Windhunde einen
höheren Stellenwert. Tazi ist der Oberbegriff für als schnellen
Sichtjäger, die für den Menschen Beute hetzten und somit Fleisch
beschafften. Um ihre primäre Gebrauchsfähigkeit für die
Jagd zu erhalten, wurden sie rein gezüchtet. Weil Windhunde schon
seit Urzeiten rein gezüchtet werden, sind unter ihnen die ältesten
"Hunderassen" zu finden. Es bildeten sich lediglich aufgrund der spezifischen
Anforderungsprofile in den verschiedenen Gebieten regionale Schläge
heraus. Beim Afghanen sind dies in den Ebenen die schnellen Sprinter und
in den unwegsamen Bergregionen die wendigen, sprungsicheren Gebirgsjagdhunde.
Für die Existenz dieser beiden Typen in diesen ihnen zugewiesenen
Gebieten gibt es eine Reihe von Quellen aus dem
ausgehenden 19. Jahrhundert, die auch in die frühen Hundebücher
der Jahrhundertwende mit eingangen sind.
Das zweite Kapitel "Die Importe nach England: Bell-Murray und Mrs.
Amps ("Ghazni")"
befasst sich mit den Vetretern dieser beiden Typen, wie sie uns auf
Fotographien überliefert sind.
Zuvor jedoch noch etwas zum Afghanen in Abgrenzung zu seinem nahesten
Verwandten, dem Saluki,
ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden:
Allen Windhunden gemeinsam sind lange Gliedmaßen, um zum Einholen
der Jagdbeute schnell genug
laufen zu können. Für Windhunde im engeren Sinne gilt noch die
Eigenart, auf Sicht zu hetzen.
Eine auf Schnelligkeit angelegte Anatomie benötigt nicht nur lange
Beine, sondern streckt alle Knochen.
Langgestreckte Schädel und "windschnittige" oval geformte Rumpfformen
mit aufgezogenen Lenden
sind typisch für den leptosomen Körpertyp des Windhundes.
Der Afghanische Windhund passt zweifellos in die Kategorie der Windhunde.
Übersetzung: |
aus: C.Miller "Complete Afghan Hound", Seite 16f |
Der Afghane hat eine mittlere Knochenstärke. Abweichend vom Standardwindhund
vergleichbarer Größe hat der Afghane größere Pfoten,
eine größere Körperbreite und ist weniger stromlinienförmig.
Außerdem gehört er nicht zu den schnellsten Flachlandsprintern.
Stattdessen bewältigt er mühelos unebenes Gelände und ist
für das ausdauernde Hetzen verschiedenster Beutetiere auf schwierigen
Untergründen geschaffen. Seine Fähigkeit zu wenden, kehrt zu
machen und Hindernissen auszuweichen ist nur zu glauben, wenn man sie mit
eigenen Augen sieht. |
"In structure the Afghan is intermediate, posessing larger feet, more
breadth of body, and less streamlining than other sighthounds of comparable
size. Among the coursing breeds the Afghan is not, nor was he meant to
be, the leader in sheer straightaway speed. But, as a jumper and broken
field runner, he is without peer, being built for the rigors of actual
prolonged field combat with a wide variety of game under difficult ground
conditions. His ability to wheel, dodge, and leap obstacles must be seen
to be believed." |
Eine Trennlinie zwischen dem Afghanen und seinem nahesten Verwandten,
dem Saluki, zu finden, ist schwer bis unmöglich.
Es heißt der Afghane hätte tiefer angesetzte Ohren, eine
kürzere, tiefer angesetzte Rute und betontere Hüftbeinhöcker,
aber tatsächlich überlappen sich die Rassemerkmale sehr. |
"In searching for valid breed differences between the Saluki and the
Afghan Hound, one finds himself on loose ground. While the Afghan is siad
to have lower-set ears, a shorter, higher-held tail and more prominent
hipbones, in actuality there is a great overlapping of these breed characteristics
in the two breeds." |
Als Rasse ist der Afghane angeblich starkknochiger und weniger zart/empfindlich
als der Saluki, aber die Spannweite innerhalb der Rasse ist immens. Eine
solche Vielfalt ist sicherlich nicht zufällig, sondern folgt bis zu
einem gewissen Grad geographischen Mustern.
Die Flachlandafghanen von Süd- und Westafghanistan, gegenüber
von Iran und Baluchistan gelegen, tendieren mehr zum spärlichen Fell
und dem mageren und auf Geschwindkeit hin angelegten Körperbau des
angrenzenden Salukityps.
Während dessen ist der Afghane des rauhen Gebirgslandes des gewaltigen
Hindu Kush tendeziell kürzer und muskulöser gebaut, außerdem
häufig beträchtlich reicher behaart.
Nüchtern betrachtet wurden nur in den Gebirgsregionen rund um
die alte Stadt Kabul die vollbehaarten Windhunde mit dem fliegenden top-knot
unseres modernen Konzepts in bedeutender Anzahl gemeldet. |
"The Afghan Hound as a breed is reputed to be heavier-boned and less
delicate than the Saluki, but the breeds vary greatly within themselves.
Such diversity is definitely not random, but to a marked extent follows
geographical patterns.
The lowland Afghans of south and west Afghanistan, towards Iran and
Baluchistan, lean towards the sparse coat and the lean and racy build of
the adjacent Saluki types.
But the Afghan of the rugged mountain country of the formidable Hindu
Kush range tend to be shorter, more powerfully built, and often considerably
shaggy-coated.
As a matter of fact, only in these mountain areas surrounding the ancient
city of Kabul has our modern concept of full-coated hounds with flying
topknots been reported in considerable numbers. |
Auf die Diskussion, wie der Bergtyp, der zum Standardvorbild erhoben
wurde, zustande kam, will ich hier nicht eingehen. Vermutlich ist der salukihafte
Steppentyp historisch der ältere und der Bergtyp aus einer Einkreuzung
einer anderen Hunderasse (z.B. dem Ahnherren der heutigen Tibetmastiffs)
entstanden. Eine solche Einkreuzung würde die "windhunduntypischen"
Merkmale erklären:
- das dichte, langhaarige Fell mit der abgegrenzten Sattelbildung
- der windhunduntypisch kräftige, aufrecht getragene Hals
- die windhununtypisch stolz erhoben getragene, kürzere, geringelte
Rute
- der für einen Windhund schon fast zu kräftige, gedrungene
Körperbau mit breiterem Brustkorb und gewölbteren Rippen
- der kürzere, breitere Kopf mit tendeziell runderen Augen
- kräftigeres Knochengebäude als beim Saluki
- das selbstbewußte, furchtlose, kämpferische Wesen des
Herdenschutzhundes
Je extremer der Bergtyp ausgeprägt ist, desto deutlicher unterscheidet
er sich vom Saluki und den üblichen Windhundkonturen.
Es geht weiter mit den Importen der ersten Afghanen nach England durch
Major Bell-Murray und Mrs. Amps.
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