Die Geschichte der beiden Typen
des Afghanischen Windhundes
Gesammelt aus mehreren Quellen und hier zusammen gestellt von Diana
Lüdemann.
Inhalt:
In drei zeitlichen Epochenschritten stelle ich die Überlieferungen
über die beiden Typen jeweils gegenüber.
1. Die ersten Zeugnisse von den beiden Typen
des Afghanischen Windhundes
2a. Die Importe nach England:
Bell-Murray und Mrs. Amps ("Ghazni")
2b. Der Typenvergleich in der Literatur: Steppenafghane
- Bergafghane
3a. Die Zuchtbasis zwischen den 1920ern und 1940er Jahren
3b. Die Vereinigung von Steppen- und Bergafghanen im
Standard
4. Literatur
2a. Die Importe nach England:
Bell-Murray und Mrs. Amps ("Ghazni")
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Afghanistan: eine ethnische Karte und eine topografische
Auf dieser Karte erkennt man die Teilung des Landes in das Steppengebiet
und den Gebirgszug rund um Kabul und Ghazni.
Eine Gruppe Steppenafghanen in Afghanistan:
Vor 1907 spielten die wenigen Importe Afghanischer Windhunde (alle Steppentyp)
keine große Rolle.
1. Zardin
Erst mit dem Import von Mrs. M. C. Barffs Zardin erwachte das Interesse
der Hundewelt am Afghanen.
Da Zardin als Paradebeispiel für die Rasse galt, wurde der erste
Standard selbstverständlich nach seinem Vorbild erschaffen.
Zardin, der keinerlei Ähnlichkeit mit dem persischen Windhund
(Saluki) und auch nicht die üblichen Windhundkonturen hatte, galt
damals als der vollkommene Afghane schlechthin. Besonders hervorgehoben
wurden:
seine stolze Haltung, sein federndes Gangwerk und seine vorbildliche
Winkelung der Hinterhand.
Zardin trug durch direkte nachkommen nicht zur Entwicklung der rasse
in Europa bei, aber sein Vorbild wurde richtungsweisend für die Zucht.
Auf seiner beschreibung basieren alle Rassestandards, die jemals Gültigkeit
hatten.
Leider ist dieser erste Standard von 1912 im 1. Weltkrieg verloren gegangen.
Nur wenige Passagen sind durch die Veröffentlichung in einem Hundebuch
erhalten:
- Farbe: creme und gold
- Größe: 24 - 30 inches
- Gewicht: 50 - 60 pounds
2. Bell-Murray
Seit den 1880ern wurden Afghanen nach England gebracht und dort in der
Exoten-Klasse „Ausländische Rassen“ (foreign breeds) ausgestellt,
jedoch brachte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Zucht zum Stiilstand.
Nach der Zuchtpause des ersten Weltkrieges bekam die Hundeszene in
England neue Importe zu sehen:
1921 brachte zusammen mit Major Bell-Murray
Miss Jean Manson eine Gruppe von 10-12 Afghanischen Windhunden, die
vorwiegend aus dem Grenzgebiet von Afghanistan und Baluchistan stammten,
nach England. Sie entsprachen mehrheitlich dem Steppenafghanen bzw. einer
Übergangsform zwischen Steppen- und Bergafghane.
Auf dem Foto rechts:
Eine Gruppe von Miss Mansons Steppenafghanen. |
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Einge der Bell-Murray-Afghanen aus Afghanistan: Ooty, Begum, Pushum,
Baluch, Kanee, Straker und GB.Ch. Ranee. |
Major Bell-Murray berichtete in einem Brief, der am 10.09.1926 in "Our
Dogs" veröffentlicht wurde:
"Ich lebte an den entferntesten Grenzen nach Indien von 1904-1920 und
während dieser langen Zeit war ich immer an orientalischen Windhunden
interessiert; ich besaß viele verschiedene Arten, die meisten waren
Salukis. Ich hatte eine große Abbildung von Zardin, der übrigens
nicht aus Afghanistan sondern aus Chagai in Mekram (Persien) stammt - einige
hundert Meilen von Afghanistan entfernt. Dieser Hund faszinierte mich derart,
daß ich danach strebte, selbst solche zu besitzen. Ich fand einige
vertrauenswürdige Reisende, die sie für mich suchten, nicht nur
in Afghanistan, sondern auch in Persien und in dem weit ausgedehnten Niemandsland
nördlich und südlich des Helmondbeckens - also überall,
wo ich sie zu finden für möglich hielt, und auch ich selbst bereiste
die meisten dieser Gebiete. Es dauerte aber bis 1912, bis ich den ersten
bekam (Anm. den nächsten erst vier Jahre später). |
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Ich hielt Begum für ein perfektes Exemplar, reinweiß mit
feinem Kopf, würdevoller Haltung, perfekte Füße mit einem
Fell von dieser wundervollen Struktur, das sich vom Fell aller anderen
Hunde unterscheidet, vergleichbar samtweicher Seide. Obwohl man mir viele
Hunde aus allen Landesteilen brachte, erhielt ich nur 9 Hunde über
die lange Zeit von 1912-1920, die dann den Anfang von Miss Mansons Zwinger
"of Cove" bildeten und in dieses Land mitgebracht wurden."
aus Barbara Berghausen, Seite 29f |
Ihr erster Afghane war also "Begum", den sie beschrieb als "weiß
mit großen brauen Augen, perfekt im Körper und der Bewegung".
Der zweite Afghane, der nicht in das Erscheinungsbild des reinen Steppenafghanen
passte, war die rot gestromte "Pushum."
"Im Gegensatz zu allen anderen hielten nur sie einem Vergleich mit
Zardin stand: substanzvoller, tiefer gestellt im Gebäude, stärkere
Knochen und auch die für Zardin typische Behaarung - kürzeres
Haar nur im Vorgesicht, auf dem Rücken, der Oberseite der Rute und
an den fesseln. Pushum entsprach sogar - wie später Khan of Ghazni
und Shahzada II - dem schweren Bergtyp." Berghausen Seite 30 |
Als beste Nachzucht der Steppenafghanen von Bell-Murray, die in dem
Zwinger von Miss Manson gezüchtet wurden, galten die Kinder und Enkel
der beiden Hündinnen Begum und Pushum, die sich vor allem im geräumigeren
Brustkorb, groberem Knochenbau und reicherem Haar dem Bergtyp annäherten.
Die vier ersten englischen Champions stammten aus der Zucht von Steppenafghanen.
Drei davon waren Kinder oder Enkel Pushums, der bergafghanenähnlichsten
Hündin. |
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Foto links Pushum und rechts daneben die übergroße
(29 inches) Buckmal, der erste englische Schönheitschampion 1927,
geboren 1923, eine Mischung aus Steppentyp väterlicherseits (Ooty)
und dem Übergangstyp Pushums mütterlicherseits,
also quasi ein Steppenafghane mit einem Schuss des stämmigeren
Bergafghanenbluts über Pushum: |
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Die GB.Championess Daghai stammte ebenfalls aus Pushum. Als Mutter des
Champions Taj Mahip of Kaf beeinflusste
Daghai die amerikanische Zucht, vor allem über ihren Urenkel GB.Am.Ch.
Badshah of Ainsdart. Als drittes wurde ebenfalls 1927 Shadi (Baluch
- Oolu) GB.Champion, eine Enkelin Pushums.
Die erste GB.Championess war Ranee, eine Tochter von Begum und Rajah.
Damit enedete die Linie der ersten und einzigen vier englischen Champions
aus der geschlossenen Zucht von Miss Manson.
Die reine Steppentyp-Nachzuchten (also ohne Begum und Pushum) errangen
ebenso wenig das englische Championat
wie die 3. und gar eine noch spätere Generation der Nachzucht
MIT Begum oder Pushum. Der positive Einfluss der beiden Übergangshündinnen
verdünnte sich über die Generationen zu sehr und der Steppentyp
setzte sich durch.
Die Zukunft gehörte den Hunden des Bergtyps und den neuen Kreuzungsprodukten
aus Berg- und Steppentyp.
1925 gründeten die Besitzer von der Nachzucht dieser Hunde den
ersten Rassezuchtverein für Afghanische Windhunde und stellten einen
Rassestandard auf, der sich kurioserweise auf Zardin als Vorbild berief,
obwohl die englische Zuchtlandschaft sich zum Steppenafghanen hin entwickelte.
Dieser "Denyer Standard" trug der Entfernung von Zardin bereits Rechnung:
- die breite, voluminöse Brust Zardins wurde nicht mehr erwähnt
- die für Zardin so auffällige Gangart des Federns fiel heraus
- entsprechend der salukihaften Zuchtrichtung sollten die Umrißlinien
anmutig, graziös und elegant sein
- die längere Lende wurde betont
- die größere Schulterhöhe wurde berücksichtigt
- statt voll behaarter Vorderbeine beschränkt man sich auf die
Füße
Dieser Denyer-Standard bildete auch die Basis für den ersten frühen
amerikanischen Standard, der bis 1948 galt.
3. Amps ("Ghazni")
Major Amps und Mary Amps, Zwinger "of Ghazni".
Major Amps war nach dem ersten Weltkrieg in der Gebirgsstadt Kabul
stationiert. Foto von kurzhaarigen Windhunden. |
Ende 1925 brachte Mary Amps eine kleine Gruppe ihrer Ghazni-Hunde mit
nach England. In der Mitte Sirdar, *1923:
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Die Zucht in England hatte sich bereits so sehr in Richtung Steppentyp
entwickelt,
dass man diese Hunde noch nicht einmal mehr als derselben Rasse zugehörig
erkannte.
Im Durchschnitt waren sie kleiner, kompakter, kürzer, stärker
gewinkelt,
tiefer gestellt im Gebäude und besser behaart. Sirdar mit einer
Tochter:
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Sie proklamierte ihre Hunde als die ersten echten Afghanen seit Zardin.
Sirdar of Ghazni wurde der erste englische Champion aus dieser neuen
Importwelle.
Die Zukunft gehörte den Hunden des Bergtyps und den neuen Kreuzungsprodukten
aus Berg- und Steppentyp. Mrs. Amps trug zur Vermischung der Bell-Murray-Hunde
mit ihren Ghazni-Hunden zwecks Verbesserung der englischen Hunde bei.
Mrs. Amps gab zu, dass selbst ihr Khan of Ghazni, noch stämmiger
und kräftiger
als Sirdar, zu massiv war. Seinen Nutzen sah sie in der Verbesserung
der
Substanz und anderer Qualitäten bei dem zu leichten Steppentyp.
Umgekehrt sahen die Anhänger des Steppenafghanen in der Verwendung
von
Ghazni-Hunden eine schneller Verbesserung der Haarfülle und des
Wesens.
4. Zu den "westlichen" Bezeichnungen "Bell-Murray-Afghane"
und "Ghazni-Afghane":
Es sieht so aus, als existierten bis in die heutige Zeit eine Reihe
verschiedener urrzeitlicher Windhundetypen in Reinform fort, die zwar alle
miteinander verwandt, aber für sich als orientalische Rassen autark
sind. Durch die jahrtausendelange geographische Trennung wurden diese Typen
relativ rein gezüchtet und haben sich bis heute in ihren althergebrachten
Verbreitungsgebieten erhalten. Durch die regionale Reinzucht handelt es
sich genetisch gesehen nach der früher zitierten Rassedefintion um
eigenständige Windhunderassen. Nur in den geographischen Übergangsgebieten
gibt es Übergangstypen, die bei der Betrachtung der Typen als in sich
gefestigte Rassen außer Acht gelassen werden können.
Diese orientalischen Windhundetypen sind, von Westen nach Osten :
1. der afrikanische Azawakh
2. der afrikanische Sloughi
3. der arabische Saluki
4. der leicht befederte persische Tazi
5. der stark befederte afghanische Kalagh Tazi (von den Engländern
als Bell-Murray- oder Steppenafghane bezeichnet)
6. der langhaarige afghanische Afghane (von den Engländern
als Ghazni-oder Bergafghane bezeichnet)
7. der langhaarige russische Taigan
8. der kurzhaarige indische Rampur Windhund
Das Schicksal der Vermischung zweier dieser urzeitlichen Rassen durch
uns Europäer traf gleich zwei unserer Windhunde:
den Saluki (aus No. 3 dem arabischen Saluki und No. 4 dem persischen
Windhund) und eben den Afghanen.
In beiden Mischrassen erfreut man sich daher - logischerweise - einem
unheitlichen "Rassebild"
oder lieber positiv ausgedrückt einer sehr reichen Typenvielfalt.
Der heutige Afghane, wie er überall in der Welt außerhalb
der Ursprungsländer gezüchtet wird, ist eine Mischung zweier,
in den Ursprungsgebieten bis heute existierenden Windhundetypen: dem Kalagh
Tazi (5) und dem langhaarigen Afghanen (6),
wobei der Afghane noch zusätzlich von dem Taigan (7) beeinflusst
ist (oder der Taigan vom Afghanen?).
Daher sind für uns besonders interessant alle die Rassen, die direkt
mit dem Afghanen verwandt sind:
No. 5 der Kalagh Tazi
No. 6 der langhaarige Afghane (enstpricht am deutlichsten dem Typ,
der als "Afghane" in Europa etabliert wurde)
No. 7 der Taigan
Zu dem Kalagh Tazi :
Der Steppenafghane, der zunächst nach seinem bedeutendsten Importeur,
dem irischen Major Bell Murray, benannt wurde, wird heute korrekterweise
als Kalagh Tazi bezeichnet und ist von der FCI noch nicht als eigenständige
Rasse anerkannt worden. Die englische Bezeichnung "Bell-Murray-Afghane"
verschwand mit der Beendigung der Reinzucht in England.
Kalagh Tazis kommen nur in der Farbe hell bis dunkelcreme vor, stets
mit einen hellen Fang.
(siehe auch die Beschreibung des Steppentyps auf der nächsten
Seite: sie beschreibt die Rasse Kalagh Tazi)
In Europa werden Kalagh Tazis nur von Frau Danuta Spaeth-Tomaszewska
in der Zuchtstätte "Registan" gezüchtet, Schweiz.
Zu dem Taigan :
Der Taigan ist eine in Kigistan anerkannte Rasse und blieb, da Kirgistan
bis 1991 der Sowjetunion angehörte, der breiten westlichen Öffentlichkeit
lange durch den eisernen Vorhang versperrt. Auch vorher, im 20. Jahrhundert,
konnte sich der Taigan kaum im Westen zeigen, da es seit dem 1. Weltkrieg
problematisch war, nach Südrußland zu reisen, oder gar weiter
östlich. Somit ist uns dieser Hund eigentlich verborgen geblieben,
obwohl sein Verbreitungsgebiet geographisch nur durch das Pamir-Gebirge
Tadschikistans von Afghanistan getrennt ist.
Der Taigan entspricht in vielen Punkten der Beschreibung des Bergafghanen,
auch in dessen Überbetonungen, wenn auch nicht immer in den Extremen
(siehe dazu die folgende Seite der Typenbeschreibung, wo beim Bergafghanen
als Fehler angegeben wird: "Kopf plump und grob und der Stop überbetont"
oder die geringere Größe (Rüde 65-70 cm, Hündin 60-65
cm) - das sind Taigan-Rassekennzeichen).
Der Taigan scheint der nächste Verwandte des Bergafghanen zu sein.
Die Ähnlichkeit ist auf den ersten Blick zum Verwechseln. Er ist stämmiger
als der Afghane mit einem ziemlich breiten Kopf zwischen den Ohren und
etwas kürzerem Fang, er jagt auch mit der Nase und die Fellqualität
ist anders mit kurzhaarigen Vorderseiten der Läufe und anderem, harten
Haar auf den Pfoten.
Ihn gibt es noch reinblütig auf der (ehemals "russischen") Seite
entlang der chinesischen Grenze. In Kirgistan gilt der Taigan als eigenständige
Rasse, wird auch als kirgisischer Windhund bezeichnet und besitzt einen
offiziellen kirgisischen Rassestandard.
(Einige Bergafghanen aus dem königlichen Zwinger in Kabul dürften
in die Population eingegangen sein, als die Russen den Shah aus Afghanistan
vertrieben und einige seiner Afghanen nach Russland brachten, um die dort
gelittene Taigan-Zucht wieder aufzubauen - man kann eine Beeinflussung
von beiden Seiten annehmen.)
Links für Fotos und mehr Infos über diese zwei eigenständigen
Windhunderassen:
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Kalagh Tazi,
fotographiert 1975 in
Afghanistan.
- cremefarben ohne Maske
- überhaupt kein top-knot
- wenig mehr als befedert
- hoch angesetzte Behänge
- sehr trocken bemuskelt, ziseliert
- gerader Rücken (ohne Dip) von den Schultern bis zu den Hüftbeinhöckern
mit leicht gewölbte Lendenpartie
- äußerst hervorstehende Hüftbeinhöcker
- extrem steil abfallende Kruppe
- steile Winkelungen, vorne wie hinten
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Noch mehr Fotos von aktiven Jagdafghanen im heutigen Afghanistand,
siehe folgenden Linktipp:
"Afghan Gait"
von Terry Wilcox unter http://www.afghanhoundsoz.com.au/Afghan_Gait.htm. |
Ariane Failer plant eine Abhandlung über die Ursprungstypen dieser
orientalischen Windhunde und
ihrer Entstehung durch die Völkerwanderung aus dem zentralasiatischen
Osten in den afrikanischen Südwesten.
Sobald dieser historische Artikel über die Typenevolution im Netz
steht, wird er hier verlinkt.
Ich verweise also für diejenigen, die sich intensiv mit der historischen
Entwicklung der verschiedenen
Windhundetypen beschäftigen wollen, auf diese Arbeit.
Nach dieser Vorgeschichte folgt nun - unvermeidbar - der Vergleich der
beiden originären Rassetypen des heutigen Afghanen im
zweiten Teil des zweiten Kapitels "Der Typenvergleich in der Literatur:
Steppenafghane - Bergafghane".
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