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Die Rückenlinie
des Afghanen
gesammelt und bearbeitet von Diana Lüdemann. 
 

Beim Afghanen wird man mit einer enormen Variationsbreite an unterschiedlicher Rückenlinien konfrontiert. 
Sie reicht von geraden Rücken über einen pronouncierten Widerrist bis hin zu einer dreiteiligen Hals-Rückenlinie,
bei der im extremen Fall der Widerrist eher zur Halslinie als zur Rückenlinie zu gehören scheint:

              gerader Rücken erhöhter Widerrist dreiteilige Hals-Rückenlinie
Angesichts dieser Rücken drängt sich doch die Frage auf,  welche Rückenlinie "standardgemäß" sei?
Theorie und Praxis: Welche Rückenlinien trifft man in der Realität an und warum?

Ehe wir uns den Standard und den Fotobeispielen realer Rückenlinien genauer ansehen, sollten wir, 
um diese großen Spanne verstehen zu können, uns die anatomischen Bedingungen verdeutlichen.

Um es vorweg zu nehmen:die Wirbelsäule knickt im "Dip" unterschiedlich weit ab:

Eine detaillierte Erklärung 
der vier schematischen Verdeutlichungen 
der Wirbelsäule siehe auf der Seite:

Die Anatomie der Wirbelsäule:

              - im Schema (allgemein)
              - in 4 Afghanenszizzen
 
 
 

              - in einem realen Skelett (Saluki)
              - Anwendnung auf den Afghanen
              - Anwendung auf Fotobeispiele

Nachdem Sie auf der Seite "Die Anatomie der Wirbelsäule" die Zusammenhänge zwischen 
der optisch erkennbaren Rückenlinie und den darunter liegenden anatomischen Begebenheiten 
nachlesen konnten, können wir danach fragen, was der Rassestandard vorgibt:
 

Die Standards über die Rückenlinie:

Alle vier Zeichnungen (von Rasseexperten, siehe vorige Seite) sind sich in einem Punkt einig:
Sie wollen eine recht gerade Rückenlinie von der Schulter bis zum Hüftbeinhöcker.

Der FCI-Standard verlangt einen geraden Rücken,
eine gerade Lende und eine abfallende Kruppe.

Der amerikanische Standard verlangt eine "nahezu gerade erscheinende Rückenlinie von den Schultern bis zur Lende",
eine leicht gebogene Lende und eine abfallende Kruppe.
 

FCI-Standard (Deutschland) AKC-Standard (USA)
Back level, moderate length, well muscled, 
back falling slightly away to stern. 
Loin straight, broad and rather short. 
Hip bones rather prominent and wide apart. 
The back line appearing practically level from the shoulders to the loin.  Strong and powerful loin and slightly arched, falling away toward the stern, with the hipbones very pronounced. 
RÜCKEN: Gerade, mäßig lang, gut bemuskelt.
LENDENPARTIE: Gerade, breit und ziemlich kurz.
KRUPPE: Fällt zum Rutenansatz hin leicht ab. 
Hüftbeinhöcker ziemlich deutlich erkennbar und weit voneinander entfernt.
Die Rückenlinie erscheint von den Schultern bis zur Lende nahezu gerade. Die Lende ist stark, kraftvoll und leicht gebogen, nach hinten abfallend zur Rute, mit sehr ausgeprägten Hüftbeinhöckern. 

Wie sind die Standardforderungen nach einem geraden Rücken also zu verstehen?

Umgangssprachlich versteht man unter dem Rücken die gesamte Brust- und Lendenwirbelsäule, also vom Halsansatz bis zur Kruppe. So versteht der amerikanische Standard den Rücken: gerade von den Schulterblattspitzen (= ca. 2. Brustwirbel) bis zu den Hüftbeinhöckern.

Anatomisch ist der "Rücken" die Brustwirbelsäule, also vom 1. bis 13. Brustwirbel, also vom Halsansatz bis kurz hinter den Dip.
Ich denke, diese Auslegung für den "Rücken" kann man in Bezug auf die Rassestandards des Afghanen getrost vergessen.

Früher haben die Kynologen die Rückenlinie in zwei Teile geteilt: den Widerrist, der von den langen Dornfortsätzen der ersten acht Brustwirbel gebildet wird, und dem restlichen Rückgrat, dem "Rücken". Hiernach beginnt der "Rücken" ca. beim 9. Brustwirbel, also kurz VOR dem Dip, und reicht bis zu den Hüftbeinhöckern. So scheint der FCI-Standard den "geraden Rücken" zu verstehen.

Demnach wäre der Unterschied zwischen dem FCI- und dem AKC-Standard:
Der FCI-Standard erlaubt einen erhöhten Widerrist und verbietet einen deutlichen Dip. Und weil die optische Ausprägung des 
Dips mit der Muskulatur zusammen hängt, benötigt eine möglichst dellenlose Oberlinie eine ausgeprägte, feste, straffe Muskulatur.

Der AKC-Standard verlangt einen insgesamt geraden Rücken.
Interpretationsfrage: Was ist darunter zu verstehen?
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Optische Erscheinungsformen der Rückenlinien in Fotografien, 
eingeteilt nach Bemuskelung & Kondition (no. 1-3) und dem Sehnen- und Bänderapparat (no. 4)
 
Rückenlinie Typ 1
Bei stark ausgeprägter, straff trainierter Bemuskelung oder etwas zu gutem Futterzustand 
ist der Dip bedeckt und der Rücken ist ab dem Widerrist 
(ca. 8. Brustwirbel) beinahe balkengerade. Häuiger als beim erwachsenen Hund treffen diese Faktoren bei einem Junghund zusammen. Diese Rückenlinie ist aber nicht unbedingt ein „Wohlstandsymptom“ (d.h. zu dick), sondern kommt auch bei den durchtrainierten (überbemuskelten?) Jagdafghanen im Ursprungsland Afghanistan vor, sowohl bei den stark behaarten als auch bei den spärlich behaarten Tazitypen der hügeligen und gebirgigen Regionen. Auch bei verwandten Windhunderassen ist diese Rückenlinie manchmal zu sehen (vor allem beim Sloughi). 
Rückenlinie Typ 2
Bei normaler Bemuskelung und trockener Futterkondition fällt der Widerrist auch noch nach dem ca. 
8. Brustwirbel ab, bildet am Dip (11. Brustwirbel) den tiefsten Punkt und steigt dann über die mit dem Auge mehr oder weniger deutlich sichtbar hervorstehenden Dornfortsätze des 
13. Brustwirbels und des 1. und 2. Lendenwirbels wieder an. 
Im Ausstellungsstand, bei dem die Hinterhand normalerweise weiter nach hinten gestellt wird als im bequemen Stand, verläuft die Rückenlinien ab dem Dip relativ gerade und bildet einen minimal gewölbte Linie von den sichtbaren Dornfortsätzen über die muskelbedeckten mittleren Lendenwirbel bis zu den leicht abfallenden hinteren Lendenwirbeln. Bei einer normalen Bemuskelung und normaler Futterkondition sind die Dornfortsätze spätestens ab dem 3. Lendenwirbel mit Muskulatur bedeckt, so dass sie nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen sind. Erst die Hüftbeinhöcker bilden den nächsten Fixpunkt fürs Auge. Diese Rückenlinie kommt nicht nur bei unseren Afghanen am häufigsten vor, sondern ist auch typische sowohl für die spärlich behaarten Tazis in den flachen Landstrichen des Ursprungslandes Afghanistan als auch für alle verwandten, orientalischen Windhunderassen.
Rückenlinie Typ 3
Bei unterentwickelter Muskulatur oder bei Untergewicht treten die Dornfortsätze weiterer (Lenden-) Wirbel sichtbar hervor (manchmal auch die Kreuzwirbel (Kruppe) und die Widerristwirbel). Mögliche Gründe für eine solche knochige Rückenlinie sind entweder eine genetisch bedingt zu geringe Muskelanlage oder eine normal ausgeprägte Muskulatur ist in einem sträflich untrainiertem Zustand oder der Hund ist schlicht zu mager. 

Rückenlinie Typ 4
Unabhängig von dem Zustand der Muskulatur und Kondition kann der Sehnen- und Bänderapparat des Hundes straff oder elastisch sein.  Da flexible Sehnen und Bänder die Beweglichkeit des Knochenapparates erhöhen und dies bis zu einem gewissen Grad erwünscht ist (für einen raumgreifenden Trab und angeblich auch für die extreme Biegung und Streckung der Wirbelsäule im Renngalopp), wird ein gewisser Grad an erkennbar Elastizität zugelassen (die Meinungen der Rasseexperten über das erwünschte Maß gehen hier sehr weit auseinander, ein ungeklärter Streitpunkt). In der fotografierten Rückenlinie äußert sich eine erhöhte Flexibilität 
der Sehnen und Bänder hauptsächlich in der Beweglichkeit der Brustwirbelsäule: In der Ausstellungspose aufgebaute Hunde 
sind zu einem merklich stärker ansteigenden Widerrist fähig, 
der dadurch zwangsläufig einen deutlichen Knick zur restlichen Rückenlinie zur Folge hat. Die Rückenlinie ist deutlich dreigeteilt: erstens die senkrechte Halslinie, zweitens die schräge Widerristlinie und rittens die horizontale Rückenlinie. Der Dip bildet als Gelenkpunkt den Mittelpunkt zwischen dem langen Widerristlinie und der restlichen Rückenlinie. 
Da sich die Muskulatur einerseits und die Bänderfestigkeit andererseits unabhängig voneinander zu vererben scheinen, 
kann die flexible Rückenlinie in allen drei muskel- und konditionsabhängigen Rückenlinien (No. 1-3) auftreten (und 
tut es auch, siehe die Fotobeispiele).
Allerdings scheinen kurze, straffe Sehnen und Bänder eher zu Rückenlinie No. 1 und lange, flexible zu den hier aufgeführten Beispielen zu tendieren. Dies korrespondiert damit, dass Hunde mit einem unauffälligen Widerrist und Dip (Typ 1) langbeinig wirken (also kürzer als hoch), während dreiteilige Rückenlinien oft länger als hoch wirken. (Zur Erläuterung bezüglich der Elastizität von Sehnen und Bändern siehe die Übersetzung eines amerikanischen Artikels unter diesem Link: "Elastizität").

Fotografische Beispiele zu allen Rückenlinien können aus der folgenden Tabelle ausgewählt werden.
 
Rückenlinie No. 1: Rückenlinie No. 2: Rückenlinie No. 3:
Rückenlinien No. 4:

Um weitere Rückenbeispiele zu sehen, bitte aus der Tabelle die gewünschte Kategorie auswählen.

Wenn Sie mir weitere Beispiele für Rückenlinien zur Verfügung stellen können, wäre ich Ihnen dankbar für Ihre Zusendung per email. Schreiben Sie mir doch Ihren Kommentar, Anregungen, Kritik!

 

Mehr über Rückenlinien:

 Zur Ursache für die Vielfalt an Rückenlinien siehe die Entstehung der Rasse "Afghane" aus zwei Ursprungstypen:
Die Geschichte des Afghanischen Windhundes und seiner beiden Ursprungstypen: Steppenafghane und Bergafghane

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unter anderem auch weitere Rückenlinien, diesmal als Scherenschnitt-Silhouetten:
Ein Sammlung von SILHOUETTEN zur Frage nach "dem" Idealafghanen


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